Die Typen der Business Netzwerke – Gladwell’s ‚Tipping Point‘ reloaded
Jeden Tag suchen die modernen Businessmenschen nach der entscheidenden Veränderung in der eigenen Arbeitswelt mittels ihrer rastlosen Aktivitäten in Business Netzwerken. Sie suchen nach dem kleinen ‚Etwas‘, das für das Geschäft eine große Wirkung haben sollen. Vor ein paar Tagen kam bei uns die Diskussion auf, ob man eine grundsätzliche Typisierung der User von Business Netzwerken vornehmen kann. Es wurde viel nachgedacht, überlegt und visioniert – und am Ende kam eine interessante Lösung raus…
Das Ergebniss fundierte im Buch ‚The Tipping Point‘, in dem Malcolm Gladwell die Rolle der entscheidenden Personen an Veränderungsprozessen unter dem Aspekt ‚The Law of the Few‘ beleuchtet. Er identifiziert dabei drei Typen, die bei Veränderungsprozessen unentbehrlich sind: Vermittler (Connectors), Kenner (Mavens) und Verkäufer (Salesmen).
Schaut man sich die Aktivitäten der Web 2.0 Gesellschaft in ihrem täglichen Wirken an, so sind zahlreiche Parallelen unverkennbar. Zum Beispiel, dass wir unsere Persönlichkeit nach genau diesen drei ‚Gewinnertypen‘ mit unseren Profilen ausrichten und, dass wir gleichzeitig versuchen, alle drei Typen in uns zu vereinen?
Ein Versuch die drei Typen aus Sicht der Aktivitäten in Business-Netzwerken wiederzufinden…
Vermittler (Connectors)
Prinzipiell erfüllen wir ‚Business-Netzwerker‘ alle diesen ersten Typus. Denn: Wer sich in einem Business Netzwerk registriert, bringt sich mit Mitbewerbern, Marktkennern, Partnern und Kunden zusammen und ist ja schon per se ein Connector, ein verbindender Mensch mit Verbindungen oder nicht? Fragwürdig… Denn nur, wer auch die Rolle des Vermittlers lebt, Menschen business-technisch erfolgreich zusammenbringt und sich ohne die permanenten Provisionsgedanken im Hinterkopf engagiert, ist der wahre Vermittler im Gladwelschen Sinne.
Wie man den Erfahrung vieler Kollegen und Businesskontakten entnehmen kann, scheiden sich hier die Geister gewaltig. Die Orientierung der Anwesenheit in Business-Netzwerken geht klar in Richtung: Me and my profit come first! Selten bekommt man wirklich wertvolle Vermittlungsansätze von Dritten für das eigene Business – egal ob man gut verlinkt ist oder nicht. Und schon gar nicht aus Eigeninitiative der eigenen Netzwerk-Kontakte. Wer zwar deutlich und ausdrücklich etwas sucht, muss dennoch erstmal direkt sein Netzwerk umständlich anzapfen. Früher hat man nach einem guten Tipp an Weihnachten eine gute Flasche Wein erhalten – heute scheint diese Geste ders guten Businessknigge abhanden gekommen zu sein.
Nicht selten bekommt man das Gefühl, heute bei Anfragen nach Vermittlungsansätzen zeitlich unpassend und am falschen Ort zu erscheinen (trotz ‚Vorstellen‘ Button).
Ist unser schnelllebiger, mit Terminen vollgestopfter Arbeitsalltag ein Bremsklotz für ein effizientes Vermittler-Dasein in den Business Netzwerken? Auf jeden Fall ist es schwierig, sich wirklich organisiert als Vermittler aufzustellen. Denn je mehr Businesskontakte man hat, umso weniger Zeit bleibt für jeden einzelnen Kontakt, neues Netzwerk- oder Business-Potential zu vermitteln.
Fazit: Das Prinzip ‚Eine Hand wäscht die andere‘ wird inzwischen in Business-Netzwerken leider viel zu stark im monetären Sinne gelebt. Ein Problem des Ressourcenmangels in Unternehmen oder der Profitausrichtung der Firmen und ihrer Manager? Die Antwort bleibt offen…
Kenner (Mavens)
Speziell im Web 2.0 Business, in der wir alle Business-Netzwerke und Wikis mit unserem Wissen füllen und wichtige Erkenntnisse in Blogs festhalten, manifestieren sich verschiedenste Arten von Kennern. Früher nutzten solche Businesspersonen Offline Veranstaltungen, stellten sich als Redner zur Verfügung oder verfassten Beiträge in wissenschaftlichen Zeitungen. Inzwischen will jeder derjenige sein, der sich als Kenner positioniert – der zur ‚Quelle neuer
Informationen wird, auf die wir vertrauen‘. Ob in Gruppendiskussionen oder als dortiger Moderator – in Business Netzwerken kann jeder zum Kenner werden. Das Internet macht die gewünschte Reichweite möglich…
Auch hier zeigt sich eine gewisse Diskrepanz zwischen den wahren ‚Kennern‘ und den -nennen wir sie mal- Reproduzenten. Zwei banale Vergleiche aus der Sportwelt – gerne! In der Fussballwelt gibt es die Option, sich einen Stern auf die Trikotbrust zu heften, wenn man erfolgreich die Champions League gewonnen hat. Beim Golf geht das Handicap je nach Erfolg rauf oder runter. Und Firmen können sich warm anziehen, wenn bei metacritic die Bewertungen der Produkte in den Keller gehen.
In Business-Netzwerken heftet sich jeder soviele Sterne ans Revers, wie nur eben möglich – unverifiziert von erfolgreichen bzw. angesehenen Businessmenschen. Da wird es schwer den Kenner, vom Reproduzenten zu unterscheiden. Ist ein Award oder Auszeichnung der Business-Netzwerke also für hervorragende Moderatoren, für qualifizierte Diskussionteilnehmer in Gruppen (z.B. durch die Gruppen-Moderatoren) oder für außergewöhnliche Blogger? Macht Sinn, wenn man ein qualifiziertes Komitee davorschalten würde. Zumindest würde es eine kleine Richtlinie zu mehr Transparenz bieten und zu mehr Übersichtlichkeit bei der heutigen individuellen Businesswelt dienen.
Fazit: Es fehlt an einer Orientierungshilfe, wer die überdurchschnittlichen ‚Kenner‘ der Märkte und Branchen sind. Xing, LinkedIn und alle ihre Mitbewerber könnten helfen, die Welt der erfolgreichen Businesstypen zu erhellen.
Verkäufer (Salesmen)
Überzeugend und charismatisch wollen wir allein schon mit unserem Profil in den Business-Netzwerken sein, weshalb sich jeder Manager auch entsprechend ein überzeugendes Profil ‚zurecht schustert‘. So manches Firmenbudget geht für hochprofessionelle Businessfotos oder Überstunden durch verstärkte Gruppen(-moderation) drauf. Dabei frägt man sich z.B. bei den Bildern, ob ein ehrliches, dem Typ passenderes Bild nicht überzeugender wäre. Auch wenn business-casual in manchen Branchen und Firmen nicht erlaubt ist.
Überzeugt sind wir dennoch von der Überzeugung, dass wir überzeugend im Business-Netzwerk auftreten: Wir überzeugen durch mannigfaltige Gruppenaktivitäten, durch zahlreiche Businesskontakte und durch reichhaltige Angaben bei Interessen, Berufserfahrung und Ausbildung. Dennoch sind wir dann noch lange nicht die Verkäufer, die mehr sagen als sie sagen und dadurch überzeugender sind als überzeugend (freie Interpretation der Gladwell Salesmen-These).
Ein ordentliches und engagiertes Profil macht noch keinen guten Verkäufer. Dazu ist manchmal ein besseres Bild notwendig und vor allem ein feineres Darstellungs-, Kommunikations- und Verhandlungsgespür (in Gruppen wie generell im Business Netzwerk). Und wenn im Alltag die ersten 10 Sekunden über Sales-Erfolg und – Misserfolg beim ersten Businesstreffen entscheiden, dann sind es bei der großen Auswahl in Business-Netzwerken vermutlich maximal fünf Sekunden. Was die Geschäftspartner im Salesprozess überzeugt, ist nicht die Universität, an der man studiert hat – ebenso wenig wie der Uniabschluss nach dem ersten erfolgreichen Job mehr zählt als die Aussage: Diplom vorhanden – ENDE. Nur davon kann man bei seiner eigenen Überzeugungskraft bei Einträgen in Business-Netzwerken aus Salesperspektive überzeugt sein.
Fazit: Die gewählte Darstellungsvariante des eigenen Profils und Auftretens in Business-Netzwerken muss dem Umfeld der eigenen Businesskontakte und -branche entsprechen. Wer den Wesenszug der Zustimmung austrahlt, erfäh
rt den Tipping Point des Verkäufers, der Erfolge sammelt.
Spot On!
Letztendlich sind es die Soft Skills der drei Typen, die als Kür den erfolgreichen Businessmenschen ausmachen. Die pure Anwesenheit in Business-Netzwerken ist das Pflichtprogramm. Entscheidend ist, wie ’sticky‘ und im Zusammenhang der Arbeitsthemen passend man in den Business-Netzwerken den Leuten erscheint, die dem eigenen Business zuträglich und gewinnbringend sind. Hier zeigt sich der wahre Matchmaking Typus.
Die Jäger-und-Sammler Leidenschaft der Business-Netzwerk Typen der Anfangsjahre ist -vermutlich aus Ressourcengründen- einem diversifizierten Business-Allrounder Typus gewichen. Die grundsätzlichen Fähigkeiten der ‚Veränderer‘ hat Gladwell in seinen drei Typen schon früh erkannt. Ob er jedoch wußte, dass die Managerwelt des heutigen Business erfordert, alle Typen in sich zu vereinen, sei mal dahingestellt…