Step-by-Step: Programmatic Buying kommt, aber langsamer als gedacht
Auf der
d3con in Hamburg trafen sich in diesem Jahr mehr als 1000 Teilnehmer, um über den derzeitigen Stand und die weitere Entwicklung der Real-Time-Advertising-Branche zu diskutieren. Thomas Promny lädt zu diesem Event bereits zum 4. Mal ein und die wichtigsten Branchenvertreter kommen gerne und zahlreich. Jeder will wissen, was geht und natürlich will auch jeder ein Stück vom großen Kuchen „Online-Werbung“ abbekommen. Und so wurde auch in diesem Jahr in Hamburg viel diskutiert (besonders im Hintergrund) und auf den Bühnen präsentiert (leider war es wieder sehr laut und man hatte Schwierigkeiten, den Paneldiskussionen konzentriert zu lauschen).
Natürlich standen auch wieder einige neue technologische Ansätzen und Ideen im Raum, jedoch scheint es, dass die Innovations-Geschwindigkeit an Fahrt verliert. Und das ist gut so. Denn viele Marktteilnehmer sind immer „noch“ überfordert vom großen Thema Real-Time-Advertising – denn neben einer Technologie braucht es auch immer Menschen, die diese bedienen und Menschen, die der Technologie vertrauen. Vertrauen und Know-how rund um das Business scheinen die größten Knackpunkte zu sein (neben der Datenproblematik), wenn es um die Umsetzung von Programmatic Buying im deutschen Markt geht.
Besonders deutlich wurde dies auf dem SSP-Panel „Wohin geht die Reise“. Das Panel war perfekt für die Frage zusammengestellt und es mangelte so auch nicht an der ein oder anderen Aussage, die zum Nachdenken anregte. Dass die Geschwindigkeit verringert werden muss, wurde besonders deutlich, als Uwe Becker (OMW/Unilever) über die fehlende Transparenz im Markt sprach. Und auch über das Unwissen, das immer noch in den Unternehmen herrscht: „Wenn die Werbetreibenden nicht verstehen wie RTA funktioniert, wie sollen sie dann der Technologie vertrauen? Es ist zu kompliziert und es gibt zu viel verschiedene Technologien und zu viel Veränderung in viel zu kurzer Zeit. Displaygetriebene Werbetreibende haben für RTA geringes Verständnis.“
30 – 40 – 50 oder doch 100 Prozent? Wieviel wird denn nun zukünftig automatisiert gehandelt?
Und dieses Problem ist greifbar. Sowohl bei den Publishern als auch bei den Werbetreibenden fehlt das Know-how, um RTA kurzfristig in Deutschland zum Erfolg zu führen. Jedoch wissen auch alle Marktplayer, dass an RTA für Standardwerbemittel kein Weg vorbei führen wird. Nach Frederike Voss (Appnexus) werden die Hälfte aller Standardformate in naher Zukunft automatisiert ausgeliefert. Und zwar über alle Kanäle. Und auch Arndt Groth (PubliGroupe) gibt sich optimistisch und bestätigte, dass alles, was digitalisiert werden kann, in Zukunft auch digitalisiert gehandelt werden wird. „Entweder öffnet man sich für den digitalisierten / automatisierten Handel, oder man ist raus.“ Seine Progrnose: Alles was standardisierbar ist, wird in drei oder vier Jahren programmatisch abgewickelt werden. Und Nils Röhrig (GroupM) vertritt die Meinung, dass in drei Jahren ca. 40 Prozent über RTA abgebildet wird.
Ob diese Prognosen (auch wenn unterschiedlich in der Höhe, so dennoch sehr optimistisch vom Umfang des Volumens) tatsächlich zutreffen werden, darüber ist sich die Branche noch uneinig. Obwohl bei Publishern als auch bei den Advertisern schon sehr viel Aufklärungsarbeit und Strukturveränderung stattgefunden hat, so haben beide Branche immer noch mit „alten“ Strukturen zu kämpfen und diese lassen sich nicht einfach unter einen Tisch kehren. Schneller und dabei wesentlich flexibler sind daher nun mal Unternehmen, die von vorne herein ihr Business auf digitale automatisierte Prozesse ausgerichtet haben, wie zum Beispiel die ecommerce-Branche und allen voran Amazon. Und sowieso Google und Facebook haben eine Exzellenz im automatisierten Einkaufs- und Auslieferungsprozess entwickelt, die einen schwindelig werden lässt.
Es herrscht noch viel zu wenig Automatisierung im Markt, darüber sind sich die Panelisten einig.
Solange sich Publisher dem Trend des Programmatic Buyings verschließen, und dazu zählen auch die großen Online-Portale, wird dies den deutschen Markt weiterhin hemmen und nicht voranbringen. Wo die Publisher stehen und wie sie auf die Automatisierung reagieren, wurde dann auch anschließend auf dem Publisher Panel diskutiert. Eine Aussage beschreibt die Situation deutlich: Der deutsche Markt ist an sich kein schwieriger Markt, sondern ein langfristiger Markt. Der deutsche Markt möchte das Thema durchdringen und mit einer langfristigen Strategie reagieren. Es stellt sich aber die Frage, ob diese Strategie im Wettstreit um Werbegelder aufgeht und ob deutsche Publisher langfristig nicht das Nachsehen haben, wenn sie kurzfristig ihr Inventar nicht für den automatisierten Handel bereitstellen? Denn die großen Drei (Google, Facebook, Amazon) wissen, wie es geht und greifen über den automatisierten Handel einen nicht unwesentlichen Teil der Werbegelder ab. Und die Gefahr ist da, dass die großen Drei noch mächtiger werden. Laut Florian Heinemann (Project A) werden Google, Amazon und Facebook noch mehr vom Kuchen abbekommen. Erstaunlich ist aber, mit welcher Gleichmütigkeit dies in der Branche betrachtet wird.