Digitalstrategie – Businessentscheider brauchen Hilfe, keine Visionen!
“Jeder zweite Konzern hat keine digitale Strategie”. Adidas hat die Beste. Aber auch SAP und Daimler sind gut. Ermittelt hat dies die Mannschaft von Accenture mit ihrer Studie “Neue Geschäfte, neue Wettbewerber: Die Top-500 vor der digitalen Herausforderung” nun genaustens untersucht. Mit einem Digitalisierungsindex wurde bewiesen, welche Digitalstrategie erfolgreich ist und die Studie wurde mit wertvollen Zitaten garniert wie “Die Vorstände der Top-500-Konzerne müssen sich mit der Digitalisierung beschäftigen – egal aus welcher Branche sie kommen”. Schön. Helfen wird es den Unternehmen -ob Konzern oder Mittelständler- nicht.
Die Frage ist vielmehr, ob das was die Studie da herausgefunden hat, wirklich das ist, womit sich ein Unternehmen beim Thema “Digitalstrategie” beschäftigt, bzw. beschäftigen muss. Mit interaktiven Umkleiden (Adidas), mit selbstfahrenden Autos (Daimler) oder mit Beteiligungsgedanken an Onlinegeschäften (Post). Als Zukunftsvision mögen solche Projekte für die großen Unternehmen spannend sein, aber sind sie tatsächlich hilfreich? Sind die Projekte nicht mehr nur Prestigeprojekte, hilfreich zur PR-Darstellung und wertvoll zur Definition als Innovations- und Technologieführer?
Haben diese Projekte wirklich etwas mit Digitalstrategie zu tun? Aus meiner Erfahrung heraus weiß ich, dass dem nicht so ist. Digitalstrategie steckt auch in diesen Unternehmen oft noch in den Kinderschuhen. Die Antworten kann man ganz schnell illustrieren.
Viele Unternehmen haben nicht einmal einen Verantwortlichen für das Thema Digitalstrategie. Das Problem ist oft so einfach, dass man es fast gar nicht zu sagen wagt: Es sind die Excel-Sheets, die einfach keine Zeile für die Digitalstrategie ausweisen. Denn was das gesamte Unternehmen und jede seiner Abteilungen betrifft, ist schwierig in eine Spalte und einen Verantwortlichkeitsbereich zu packen. Und eine weitere Stabsstelle wie IT und HR wollen die meisten Chefs nicht unbedingt unter sich haben.
Ein paar Unternehmensfragen zum Thema Digitalstrategie will ich gerne mal zusammenfassen…
Das fängt im Vertrieb bei der Demand Generierung an, wo sich z.B. einer der beliebtesten Autohersteller immer noch die Frage stellt, wie informiere ich meine Händler eigentlich bestmöglich von den aktuellen Aktionen und wer bekommt am Ende den Deal, wenn die Kaufanfrage über uns kommt? Bis hin zu, welche Strategie der Verkaufsförderung ist eigentlich innovativ – im Vergleich zu, welche schafft Umsatz?
Das geht im Marketing bei einem Telekommunikationsanbieter mit der Frage weiter, ob und wenn ja wie sollen die Reseller eigentlich Social Media machen, und was ist die Rolle des Herstellers hierbei? Müssen wir jetzt einen Community Manager einstellen und Monitoring selbst machen, oder sollen wir das die Agentur draußen weiter machen lassen, obwohl wir wissen, das die uns nicht zu den Markenadvokaten führen? Und was ist heute eigentlich noch eine erfolgsversprechende Mediastrategie, wenn Social Media, PR und Marketing sich gerade neu definieren?
Aber auch der Kundenservice hat mit der Digitalstrategie seine Themen. Immer wieder treffen wir in Unternehmen, die nichts als eine Strategie des Hinhaltens auf ihren (sozialen) Plattformen wie u.a. Twitter und Facebook fahren. “Stell den Kunden drei Tage ruhig, dann sag ihm, das es leider keine Antwort und Lösung auf seine Frage und Problem gibt. Wir sind aber dran. Ach ja: Und schick ein Link mit auf die Unternehmensseite. Das bringt Traffic!” Page Impressions und Unique User sind immer noch die geltenden ROI-Kennzahlen im Rahmen der Digitalstrategie.
Und in Personalabteilungen drehte sich ein Start-Up um die Frage, ob man nun einen Headhunter einstellen soll, der letztendlich auch seine Postings über das Social Web verbreitet, oder eine Nachhaltige Employer Branding Strategie andenken soll. Aber sah sich dann konfrontiert mit einem Marketingteam, dass Social Media als seine Aufgabe ansah, denn schließlich ist die Digitalstrategie ihr Aufgabenfeld.
Die Digitalstrategie wartet zwar im Meetingraum, aber kommt leider so gut wie nie zu Wort. Und wenn doch, dann darf sie nicht ausreden.
Natürlich hat Henning Kagermann mit seinem PR-wirksamen Zitat recht, wenn er meint “Digitale Strategien sind ein Muss für jedes Unternehmen”. Doch zu einer ordentlichen Digitalstrategie gehören nicht interaktive POS-Spielereien, wenn das Verständnis dafür fehlt, wie man die neuen Technologien wie Mobile, Augmented Reality oder Digital Signage implementiert, was man damit machen soll, geschweige denn, wer am Ende die Daten auswerten soll und wieviel Umsatz damit zu erwarten ist.
Ein sinnvolle Digitalstrategie braucht ein grundsätzliches Businessverständnis, dass die organisatorischen Ziele und Werte in eine digitale Roadmap für das Top-Management und seine Teams (inkl. der Händler und Zulieferer) übersetzt. Aber auch eine, die vor allem die Machbarkeit der Businessprozesse via Web und all seiner Möglichkeiten im Auge behält.
Das ist eine Digitalstrategie, die Businessentscheider brauchen. Das ist die Transformation mit einem digitalen Katalysator. Das ist Hilfe. Einfach, realitätsnah und verständlich.