Willkommen in der Welt von Social Media – Die Buchbranche erfindet sich neu.
Buchverlage haben es schwer, meistens schwerer als andere Wirtschaftszweige. Denn das, was sie verkaufen, handelt sich meistens um geistiges Eigentum, um Inhalte, Texte. In der digitalen Welt bezeichnen wir dies als Content. Content wird jedoch im Netz „liquid“, kann mit einem Klick vervielfältigt werden und steht in einer unglaublich großen Fülle im Netz zur Verfügung. Das, was dort gelesen wird, entscheidet nicht der Buchverlag, der auswählt und ordnet und Bücher herstellt. Das was heute gelesen wird und was wichtig ist, entscheiden im Internet Google, Apple, Amazon und die Nutzer, die Bücher bewerten und weiterleiten. Und das geschieht zunehmend in und über soziale Netzwerke.
Auf der Veranstaltung der
Frankfurt Acadamy „Contec“ (#contec13), die am Vortag der Frankfurter Buchmesse stattfand, habe ich mich in unterschiedlichen Panels informieren können, vor welchen Herausforderungen die Branche heute und vor allem morgen steht. Contec ist ein neues experimentelles Konferenzformat, das das Zusammentreffen unterschiedlicher Kulturen abbilden möchte. „The new publishing experience“ stand als Motto im Mittelpunkt und das Programm war gespickt mit hervorragenden Sprechern aus allen Ländern dieser Welt.
Eine Frage, die die Buchbranche derzeit bewegt, und die ausführlich auf der Konferenz behandelt wurde, handelt um den Umgang mit sozialen Netzwerken: „Wie verkauft man Bücher über soziale Netzwerke?“, bzw. wie nutzt man diese Plattformen, um Bücher im Internet besser zu positionieren, Leser zu finden, zu begeistern und zu binden.
Eines der Grundprobleme der Buchverlage ist die Positionierung des Brands in der digitalen Welt. Was ist eine Verlagsmarke im Netz wert, wenn der Zugang zu Büchern über E-Commerce-Plattformen wie Amazon geschieht? Das Branding der Publisher hat auf den allermeisten E-Commerce-Plattformen keine Chance wahrgenommen zu werden. Im Vordergrund stehen der Content, der Preis, die Lieferbedingungen, das Rückgaberecht. Welcher Herausgeber dahinter steht, ist nicht relevant. Vielleicht war es auch noch nie wichtig, aber im Netz könnte dies nun anders werden. Denn soziale Netzwerke erlauben auch Buchverlagen mit ihren Zielgruppen in direkten Kontakt zu treten, mit diesen zu kommunizieren und Inhalte über eine starke Marke zu verkaufen. Eine Aufgabe, die vielleicht in einer Welt der immer größeren Vielfalt und Auswahlmöglichkeiten wichtiger werden wird.
Ein weiteres Problem der Buchverleger ist, dass sie immer weniger Einfluss haben auf das, was gelesen wird. Amazon entscheidet, welche Bücher im Suchprofil der Nutzer erscheinen. Jedoch steht auch der Algorithmus von Amazon auf dem Prüfstand. Denn wie ich gestern gelernt habe, funktioniert der Algorithmus von Amazon nur bedingt. Das was wir morgen lesen wollen, hat mit dem, was wir gestern gelesen haben, nur wenig zu tun. Wir wollen ständig von neuen Ideen, Autoren, Schreibstilen überrascht werden und suchen daher auch immer das Unbekannte. Damit rücken soziale Netzwerke wie Facebook und Twitter in den Focus. Wir vertrauen unserem Netzwerk bei Empfehlungen.
Wir schauen, welche Produkte von unseren Freunden gekauft werden und welche nicht. Und genauso verhält es sich mit Büchern und Zeitschriften oder Links und Apps. Wir lassen uns inspirieren, von den Empfehlungen unserer Freunde und entdecken dadurch den Lesestoff für morgen. Nun verwundert es nicht, dass die Buchbranche auf die sozialen Plattformen drängt. Denn dort haben sie den direkten Kontakt zu ihrer Zielgruppe. Sie brauchen kein Amazon, keine Ladentheke oder Apples App Store.
Auf einmal rückt die Marke des Publishers wieder in den Vordergrund. „Build a corp DNA around your ISBN!“ lautet daher eine der Forderungen von Dan Franklin, Digital Publisher von
The Random House Group, der auf der Frankfurter Buchmesse in der Paneldiskussion „What is a publisher now?“ einige wirklich gute Statements ablieferte.
Die Forderung von Franklin gefällt mir ausgesprochen gut, denn meistens setzen Publisher nur eine Fanpage auf und hoffen darauf, dass sich möglichst viele Fans auf der Seite versammeln und mit der Publishermarke interagieren. Eine Corporate DNA im Internet-Zeitalter um den ISBN Code herum zu bauen, bedeutet jedoch, in die Welt der Digital Natives einzutauchen, und nicht nur den physischen Buchverkauf ins Internet zu verlagern. Es braucht neue Ideen, um die User zu begeistern. Publisher müssen darüber nachdenken, welche Angebote sie im Netz zur Verfügung stellen, an denen die Nutzer partizipieren können. Projekte, in denen sie mitwirken können und Teil werden.
Ein schönes und spannendes Projekt habe ich hierzu in Deutschland gefunden. Der
MVG Verlag hat vor kurzem das Projekt “100 Fans” ins Leben gerufen. Eine Crowdfunding-Plattform, auf denen junge oder unbekannte Autoren ihre Bücher oder Ideen vorstellen können. Damit das Buch publiziert werden kann, braucht es lediglich 100 Fans, die bereit sind das Buch zu kaufen. Als Fan kann man unterschiedliche Pakete kaufen, ein Paket, das ein ebook enthält, oder ein Paket mit Hardcover und ebook usw. Hat man als Autor die Fans beisammen, publiziert der Verlag das Buch und bindet es in das Verlagsprogramm ein.
Ein Vorteil von
100 Fans ist, dass junge Autoren darauf vertrauen können, dass der Verlag bei der Präsentation des Buchprojekts im Vorfeld tatkräftig unterstützt und Tipps gibt, anders als im Self Publishing, wo der Autor meistens sich selbst überlassen ist. Oliver Kuhn, CEO des Verlages, ist sich sicher, mit dieser Idee eine neue Form des Publizieren von Büchern zu ermöglichen und durch die Power der sozialen Netzwerke weitere interessante Projekte ins Leben zu rufen. „Mit 100 Fans“, so Kuhn, „schaffen wir eine große Reichweite für Crowdfunding im Buchsektor aufzubauen.“
Eine weitere Möglichkeit die Kraft der sozialen Netzwerke zu nutzen, ist die Community im Bereich der Kreativität zu nutzen. Digital Natives veröffentlichen unendlich viel Content und teilen diesen mit ihren Freunden. Wie wäre es, wenn Verlagshäuser beginnen, eine Kuratorenfunktion einzunehmen, also fremden Content auf ihren Seiten zu kuratieren. Ein weiterer Ansatz, der erfolgsversprechend ist, ist die Integration von Start-ups in den Buchbetrieb. Start-ups können ihre Innovationen durch die Hilfe von Buchverlagen ausrollen und die Verlage profitieren von der Schnelligkeit der jungen Talente.
Eine Diskussion auf der Buchmesse, veranstaltet vom Börsenverein des dt. Buchhandels, hat zudem gezeigt, dass die Buchbranche Start-Ups und Digital Natives nun endlich offen gegenübersteht. Zudem ist die Branche vermehrt auf der Suche nach kreativen Köpfen (wie uns…) aus dem digitalen Bereich. Penguin hat in diesem Bereich bereits investiert und kann erste Erfolge vorweisen. Nathan Hull, Digital Development Director,
Penguin London, sagte auf der contec: „Share Content, then every traditonal publisher can be innovative.“ Eine Win-Win-Situation zwischen Start-ups und den Buchverlagen entsteht und dies wird die Branche befähigen, in den sozialen Medien, aber auch im Deskop- und vor allem im Mobilebereich sichtbarer zu werden. Share content, die Bereitschaft User Generated Content zu kuratieren, Crowdfunding für neue und unbekannte Projekte sind spannende Wege für Buchverlage, um in sozialen Netzwerken wahrgenommen zu werden.