Wer war, wer kommt und wer bleibt – Fünf Jobtitel für die Zukunft der Webstrategie



Sind Jahresrückblicke sinnvoll? Braucht man sie in der heutigen Zeit der Informations- und Kommunikationsflut? Schafft man es da überhaupt noch, der Aktualität des Alltags zu entfliehen? Und was ist schon eine einzelne zurückschauende Meinung Wert? Welche Nachhaltigkeit kann sie haben?

Die diplomatische Antwort schlauer Professorenhirne wäre vermutlich: “Das kann man so und so sehen!” Wer gerne in die Zukunft schaut, der findet vermutlich an Ausblicken mehr Begeisterung – auch wenn sie meist auf Erkenntnissen beruhen, die sie erst so richtig zum Leben erwecken.

Wage ich also mal einen Ausblick in 2013 in die Zukunft der Webstrategie. Dazu möchte ich aber mal das Thema Webstrategie aus Sicht von The Strategy Web definieren. In 2012 haben wir sehr oft gemerkt, dass hier noch ein rechtes Unverständnis herrscht, was Webstrategie eigentlich ist:

“Webstrategie ist die Übersetzung der organisatorischen Ziele und Werte in Vorgehensweisen des Top-Managements und ihrer Teams für alle über das Web entstehenden und abzuwickelnden Businessprozesse. Die Webstrategie liefert das Zukunftsbild der Kundenkommunikation, das die Vernetzungstrends des Internet und die Tools der modernen Webentwicklung mit den individuellen Business-Taktiken vereint, um die übergeordnete Unternehmensvision zu verwirklichen. ©The Strategy Web GmbH 2012”

Anlehnend an diese Definition soll in diesem Jahr das Zukunftsbild in Richtung neuer Jobtitel gehen. Welche alten Jobrollen wackeln sowie welche neuen Aufgaben und Herausforderungen in Unternehmen gilt es für die Neuausrichtung bzw. Neuorientierung eines Unternehmens zu überdenken?

Diese nachfolgenden fünf Jobrollen sollten clevere Manager überdenken. Ob man sich die Personen dann leisten will, soll oder muss, ist eine Definitionssache für den Einzelfall. Wichtig werden diese Jobbilder auf jeden Fall.

Dass in der Rangfolge eine Logik besteht, denkt sich der geneigte Leser vermutlich. Für alle anderen formuliere ich es mal in eine Formel…

Wissen x Daten x Inhalt x Kultur x Kunde = Unternehmenserfolg

Entsprechend also mal schnell ein paar Gedankenanstöße zu den neuen Jobrollen.

a.) Corporate Knowledge Officer
Die größte Herausforderung für die Personalabteilung ist, die Perlen der unternehmerischen Wertschöpfungskette zu binden. Sie sind das Wissen des Hauses, die Säulen der Produktivität. Verlässt eine Säule das Unternehmen, geht in der Regel das Wissen mit dieser Person verloren. Was passiert, wenn Menschen erkennen, dass die fütternde Hand des Unternehmens wenig Sicherheit und Altersabsicherung im Jahr 2025 bietet? Was ist, wenn die
Millennials, die in 2020 fast die Hälfte der Weltbevölkerung ausmachen, dem klassischen Arbeitsbild entsagen und eher projektorientiert Wissen zur Verfügung stellen? Was wenn Wissensarbeiter sich gar nicht mehr anstellen lassen in 2015, weil man
ihre Hirnleistung kaufen kann?

Wer Social Business versteht, wer Wissen sichern und “immer verfügbar” lagern will, kommt am Corporate Knowledge Officer nicht vorbei. Sie sind Game Changer für Analysten, Marktforscher und große Beratungshäuser.

b.) Corporate Data Scientist
Die Welt spricht Big Data. Buzzword oder Biz-Wert? Kaum ein Wort wurde so oft gebraucht in der Wirtschaft 2012, in der der Terminus Webstrategie oft noch ein Fremdwort ist. Sieht man sich nur an, was
in 60-Minuten im Web an Daten anfällt, oder
wie schnell Gespräche sich entwickeln, so wird das Datenaufkommen für den Wertschöpfungsprozess eine wahre Herausforderung. Aber wer leistet sich den Menschen, der in der Zukunft so begehrt sein soll
laut Harvard Business Review? Wo ist diese Person im Excelsheet, dieser Forscher, Logiker und Mathematiker in einer Person? Noch gibt es wenige davon. Sie sind diejenigen, die wissen, wie man den 0 und 1 Prozess auf den Kopf stellt, um so Rückschlüsse auf neue Inhalte und Werte zu ziehen.

Wer nicht bei Data Mining und Business Intelligence aufhören will, sollte den Wert des Corporate Data Scientist erkennen. Sie sind Herausforderer für PR- und Marketingverantwortliche, die
CEOs mit Daten und Fakten überzeugen müssen.

c.) Corporate Content Officer
Inhalte formen Daten. Aber Inhalte sind die schwächste Produktionsstätte der Unternehmen. Oft ausgelagert bei PR-Experten oder Medienhäusern, die
heute selbst am kämpfen sind. Wer soll im Unternehmen Inhalte recherchieren, schreiben, ausformulieren und terminieren? Wer kann Inhalte priorisieren, aggregieren und kuratieren? Und wo bekommen die Unternehmen die Expertise her, ein Medienunternehmen zu werden? Wenn Content Marketing die Zukunft ist, wer bereitet den Weg von PR und Marketing hin zum journalistischen Zwitter, den man in meinen Augen als undefinierbare Mischung aus Corporate Publishing und Community Management bezeichnen könnte.

Wer Gespräche als Chance sieht und den Sinn
integrierter Communities in Webseiten versteht, macht vor dem Einsatz eines Corporate Content Officers nicht Halt. Sie sind Medientrainer und Chefredakteure des Unternehmens, die alle Unternehmenseinheiten zur Inhaltsproduktion bewegen.

d.) Chief Culture Officer
Mit einer veränderten Inhalts- und Datengenerierung sowie einem neuen Verständnis für Wissensmanagement geht eine unternehmerische Kulturveränderung einher, die Grant McCracken
in seinem Buch eingehend beschreibt. Menschen müssen neue Plattformen verstehen. Mitarbeiter müssen den Nutzen von neuen Tools und Techniken begreifen, bevor sie zum Einsetzen selbiger gehievt werden. Auch wenn, wer die Email nicht mag, eben Mitarbeiter- und Kundenkommunikation auf Stream-Working ändert. Doch wer die Kultur der Offenheit und Transparenz ablehnt, wird auf der Strecke bleiben. Bei Leuchttürmen kann das Unternehmen bitter zu stehen kommen.

Wer die Herausforderung des Arbeitens mit zahlreichen Projekt-Plattformen kennt, weiß welchen Mehrwert ein Chief Culture Officer mit sich bringen kann. Er ist verlängerter Arm des Managements, der menschliche “Erklär-Bär” und gleichzeitig sehr nah am Personalwesen dran.

e.) Chief Customer Officer
Kunden verändern mittels offener Kommunikation, Lob und Kritik die Spielregeln. Was einst Top-Down ist heute Bottom-Up. Der Kunde ist König. Ein Satz, der Kunden früher zum Weinen einlud. Heute bringen die
3 R’s (Rating, Review, Recommendation) des sozialen Kunden eher die Manager zum Weinen. Sie lassen ganze Umsatzströme erzittern. Wer aus der Konversation mit Kunden seine Erfahrung gewinnt, die Daten in Inhalte fließen lässt und eine Kultur der Kooperation schaffen kann, der versteht das Wort Empathie. Der schafft Begeisterung an Marken, an Produkten und an Unternehmen.

Wer die
Community der Kunden als Ökosystem der Erkenntnis akzeptiert, wer dabei
Markenadvokaten, Kritiker und Nörgler als gleichberechtige Prozessbeteiligte sieht, wird den Chief Customer Officer als Institution in Betracht ziehen. Diese Personen sind Game Changer für Vertriebler und Kundendienst-Mitarbeiter.

Noch nie habe ich soviel über Jobdefinitionen und Jobrollen gesprochen, diskutiert und philosophiert wie in 2012. Sei es auf Kongressen als
Moderator auf
B2B-Events als Sprecher oder auch als
rebellischer Start-Up Panelist. Ob die Jobbilder Realität werden? Noch einmal, entscheidet Ihr…

Ja, 2012 war ein tolles Jahr. Danke an alle, die es dazu gemacht haben. Einen guten Rutsch in 2013 allen Freunden, Fans und Followern. Ich freu mich auf Euch…!