Medien und die Frage nach dem Wert von Teilen und Kommentieren

Kommentare sind das Salz in der sozialen Mediensuppe der Neuzeit. Sie sind Diskussionsgrundlage für effizientes Crowdsourcing. Und sie bieten Medien die Option, Titel, Themen und Tempo von Veränderungen in Märkten als Innovationsführer und Trendsetter voranzutreiben. Zumindest ist das meine Vision von modernem Journalismus…

In der Regel lese ich abends gerne die Inhalte, für die man während der Arbeitszeit keine Zeit findet und die ich potentiell gerne kommentieren möchte. Dementsprechend wollte ich gestern die Posts von ARD Börse Online
“Social Media – Investitionshilfe oder Anlegerfalle?” und das dazugehörige Interview mit Prof. Klemens Skibicki
“Social Web demokratisiert die Börse!” in Ruhe am Abend lesen.

Das Thema ist spannend und bewegt so manchen Banken-Chef sowie seine Marketing und PR-Verantwortlichen, wie mir aus diversen meiner Social Media Workshops bekannt ist. Entsprechend würde eine Diskussion hier sicherlich einen progressiven Ansatz verfolgen. Denn sowohl Anleger als auch Banken sind sich unsicher, inwieweit über Social Media Börseninformationen oder Investor Relations Inhalte publiziert werden dürfen bzw. sollen.

Der Post regte mich zum Kommentieren an. Dann folgt jedoch die große Ernüchterung. Es gibt keine Kommentarfunktionen bei ARD Börse Online.

Die üblichen Frage kommen auf: Hat die ARD noch nichts vom Thema User-Generated Content gehört? Hält sie davon und von Social Media insgeheim nichts. Sieht man sich immer noch als Gatekeeper der Information? Oder sind Kommentare des Lesers als wertloser Input einzustufen?

Auch als Sharing-Optionen offeriert das Medium lediglich “Druckversion” oder “Weiterleiten”. Wie bitte…? Soll man in der heutigen Zeit eine Massenmail an alle seinen E-Mail Verteiler schicken? Erst kürzlich rümpfte jemand die Nase, als ich nach drei Jahren mal wieder eine solche Massenmail verschickt habe mit den Worten “Rückfall in alte Zeiten…?”.

Dann schon lieber auf die Distribution der Inhalte via Google+, Twitter oder Facebook setzen. Man könnte ja gleich dort seine Meinung als Einleitung formulieren und dann den Link anfügen. Aber auch das wird bei ARD Börse Online nicht angeboten. So demokratisiert wie die Börse nun ist dank der Meinung des Experten, ist der Content Syndikationsweg der ARD Börse Online noch lange nicht. Kommentare und Sharing gibt es nur im Rahmen des Journalismus 1.0.

Grundsätzlich stellte ich mir gestern die Frage, ob man überhaupt einem Medium ein Interview zum Thema Social Media oder Social Web geben soll, welches eine Kommentieren und Teilen von publizierten Inhalten nicht ermöglicht, bzw. zulässt.

Die Antwort liegt zwischen dem persönlichen Anspruch aus Relevanz (Social Media) oder Reichweite (traditionelle PR). Will man das Thema inhaltlich weitertreiben und die Diskussion anregen, oder positioniert man sich im Themengebiet als Spezialist, der weitreichende Beachtung erzielen will? Das muss jeder für sich selbst entscheiden – auch ich habe der Absatzwirtschaft ein
Interview zum Thema Bloggen gegeben, was nicht online sondern als PDF erschien.

Warum also sollten sich Medien Gedanken um den Wert von Teilen und Kommentieren machen?

– Wenn ein visionärer Gedanke oder ein Trend intensive Betrachtung und Diskussion verdient, sollte das geschriebene Worte nicht wie zu Martin Luthers Zeiten im stillen Kämmerlein diskutiert, sondern die Lesermeinung PUBLIK einbezogen werden – wie man früher auch Leserbriefe akzeptierte. Sonst ist zu unterstellen, dass man als Medium die Neuzeit und seinen AUFTRAG als öffentlich-rechtliches Medium nicht ernst nimmt.

– Wenn eine Frage gestellt wird, erwartet der moderne Leser, dass sowohl Experten der Börse oder Wirtschaft, die Social Media Gemeinde als auch die Leser/User von ARD Börse Online sich dazu äußern können sollten. Sonst werden nicht alle Teile der Wertschöpfungskette TRANSPARENT dargestellt.

– Wenn ein Social Media Experte seine Meinung äußert, erwartet er als Feedback ein Stimmungsbild der qualifizierten Massen derer, die den anderen Part des Involvements in der Wertschöpfung abbilden: die Börsianer, Banker, Broker. Sonst macht das Medium sich zum Abgesandten der Börsenwirtschaft und redaktionelle INTEGRITÄT kann in Frage gestellt werden.

– Wenn ein solches wirtschaftspolitisches und individual-kritisch finanzielles Thema diskutiert wird, dann ist es schlichtweg fragwürdig, wenn eine einzelne Meinung das Mass der Meinungsbildung ist. Sonst hätte der Autor die Überschrift nicht OFFEN als Frage formulieren sollen.

– Wenn die Überschrift als Frage formuliert ist, bekundet sie Interesse nach einer Antwort – vor allem in einem
Community Centric orientierten Medium wie dem Social Web. Sonst verschließt man sich vor der Entwicklung des modernen Crowdsourcing, welches TRENDSCOUTING, INNOVATIONEN und LESERBINDUNG fördert.

– Wenn uns die Zukunft von SocialTV bevorsteht, aber Medien wie ARD Börse Online den Kommentar eines Zuschauers im Web nicht als wertvoll erachten, so steht zu bezweifeln, ob SocialTV unter Konvergenz oder Mitbewerb stehen wird. Sonst würde die Beziehung zwischen dem Film und der Diskussion schon längst und viel häufiger wie bei “The Voice of Germany” (Einblendung der Tweets) hergestellt sein.

– Und… Wenn man als Experte ein Interview einem Medium ohne moderne Kommentar- und Sharingoptionen gibt, sollte man darauf idealerweise progressives Crowdsourcing betreiben: Anschieben oder Verbreiten der Inhalte mit der Bitte um Feedback und Meinungsaustausch. Sonst verpuffen die guten Gedanken des Posts kommentarlos und ohne weiterführende, neue PERSPEKTIVEN für den Leser und die Redaktion. PS: Hr. Skibicki hat seinen Part hier übrigens gut gemacht!

Die Frage, die sich stellt… Wie wichtig ist die Kommentarfunktion in der heutigen Zeit wirklich? Wollen Medien überhaupt, dass der User Inhalte generiert? Und wenn nicht, warum sollten Medien heute dennoch dem Standard sozialer Medien entsprechen?
Fragen, die auf eure Antworten warten…