Ist Social Media für Kundenservice wirklich geeignet?
Nachdem ich nun schon an zwei Beispielen gezeigt habe, wie Kundenservice der anderen Art aussehen kann –
hier und
hier – wollen wir mal einen Blick auf Kundenservice mit Social Media wagen. Social Media wird sehr oft als effizientes Kommunikationssegment vorwiegend im Bereich Marketing angesiedelt. Bietet es für Unternehmen ein große Chance für den Kundenservice? Social Media bietet grundsätzlich exzellente Möglichkeiten als Verlängerung der Kundenbindung, wird aber oft auch leider falsch eingesetzt und
bewirkt so das Gegenteil.
Egal, ob wir nun einen Twitter-Account oder eine Facebook Page einer Marke betrachten, oft sind diese Seiten gefüllt mit Gefühlsäußerungen. Es wird gejammert, gelobt, und so mancher Mensch sprüht auch mal vor Euphorie – ohne Theater, ohne Anlass, ohne erkennbares Motiv. Und das ist unabhängig von der Branche, Marke oder Produkt. Die in diesen Post eingebauten Bilder dienen als Beleg dafür…
Unternehmenslenker fragen mich oft, wieso nutzen Kunden ausgerechnet öffentliche Medien als Kundenserviceangebot?
Die erste Antwort ist simple. Weil sie es endlich können! Früher brauchten die Kunden traditionelle Zeitungen und Magazine um Meinungen publik zu machen, heute haben Konsumenten unzählige Plattformen auf denen sie mit Text, visuell oder sogar audio-visuell ihrer Meinung ungezügelt freien Lauf lassen.
Die zweite Antwort ist nachvollziehbar. Firmen sollen den Frust der Kunden wahrnehmen und spüren. Diese öffentlichen Emotionen sind Ausdruck der Ohnmacht beim Thema Kundenservice, die teilweise über Jahrzehnte ertragen wurden. Social Media ist keine Mecker-Spielwiese der Konsumenten, sondern der letzte Nagel an den sie sich oft halten. Was bisher im Verborgenen besprochen wurde, soll nun jeder mitbekommen. Sei es nun eine Warnung für andere potentielle Kunden oder um endlich eine Reaktion zu erhalten…
Die dritte Antwort ist erwartungsfroh. Kunden sehen in einem Social Media Angebot eine Verpflichtung des Unternehmens und der Marke, den Kunden in den Mittelpunkt zu rücken (
Community Centric Strategie). Wer sich dieser Herausforderung stellt, muss sie auch kundenseitig befriedigen, vor allem, wenn ein großes Serviceteam im Hintergrund schnelle Abhilfe der Probleme in Aussicht stellt.
Und generell: Wer sich zur Echtzeit-Konversation verpflichtet, sollte wissen, dass er ungeduldige und vermutlich schon verprellte Menschen vor sich hat, aber in der Regel keine Nerds, Freaks oder Nörgler. Tritt die Befriedigung nicht ein, wird der Kunde sich berechtigter Weise auf einer markenfremden Seite äußern, oder den Mitbewerber aufsuchen.
Aber wie sollen Firmen nun Social Media im Kundenservice einsetzen?
Ein oft auftauchendes Thema ist, dass ein Social Media Account für alle Fälle dienen soll: Marketing, Promotion, Kundenservice und Employer Brandung. Abgesehen davon, dass es den Account verwässert und nicht im Sinne einer klaren Kommunikationsstrategie definiert, schwächt es eher Produktkraft und Markenstärke, ist somit wenig zielführend. Da verwundert auch nicht, wenn eine
Langzeitstudie des
Brand Science Institut bei 130 Firmen keinen nennenswerten Einfluss ihrer Social Media Aktivitäten auf Kundenzufriedenheit und Kundenbindung verzeichnet.
Wer sich zum Thema Kundenservice in Social Media “committed”, muss einen Anlaufpunkt schaffen, der Anfragen schnell beantworten will, Schnittstellen bildet für die angrenzenden Produktbereiche und Updates dort entsprechend anbietet.
Wer allerdings nur in Richtung Email verweist, sollte sich die Frage stellen, ob Social Media der richtige Kundenservice Kanal ist, oder ob eine klassische Webseite da nicht eher geeignet wäre. Reaktiv und automatisiert erscheint wenig sinnvoll.
Wer es dennoch macht, sollte folgende Regeln gewährleisten können…
– Monitoren Sie ihre Marke, Produkte (Tags und Keywords!) und Dienstleistungen proaktiv. Hier verbergen sich Anforderungen, Bedürfnisse, Begehrlichkeiten, Motivationen, Werte und Wünsche. Wer zuerst reagiert, positioniert sich im Markt.
– “Committen” Sie sich zu einem schnellen Service Feedback-Prozess. Social Media Gespräche sind wie Kaltakquise, sind der
virtuelle Handschlag, den Unternehmen oft vergessen. Wer proaktiv agiert, differenziert sich vom Mitbewerber.
– Jedes Gespräch ist ein Mosaik im FAQ des Kundenservices. Inhalte bauen sich mit Social Media Kundenservice-Accounts schnell auf. Die
Inhalte sollten aber auch geschickt zurückgespielt werden in die “Gefolgschaft”. Wer “Zuhören” verbalisiert, verdeutlicht die Rolle eines Wissensführers.
– Inhalte, Orte, Geräte oder Uhrzeiten sollten keine Limits darstellen. Der Kontext ist für Kunden nicht erheblich, sondern der Weg aus seinem Dilemma. Wer also passiv nur zuhört und nicht aktiv den Weg optimieren will, gibt die Meinungsführerschaft schnell ab.
– Kunden sind keine Feinde! In Social Media sind Kunden mehr denn je bereit -teilweise entgeldfrei- Wege, zu einem besseren Kundenservice aufzuzeigen. Wer die Chance der Zusammenarbeit nicht nutzt, hat das Social Web und seine Dynamiken nicht erkannt.
Vor Jahren habe ich auch über die
aktive und passive Content-Strategie geschrieben. Die ist heute noch so relevant wie damals. Wer den aktiven Pfad des Kundenservice in Social Media wählt, ist beim Mitbewerb und diesem immer einen Schritt voraus. Das heißt aber nicht, dass man deshalb unbedingt eine Plattform in einem Social Web-Strategie entstehen lassen oder ein extra Team dafür einsetzen muss…
Viel Erfolg bei der Umsetzung!