Technologie-Marketing ist mehr als Lead Generierung

In den vielfältigen Aufgaben des Marketings hat ein Bereich in den letzten Jahren im Technologiesektor zunehmend an Bedeutung gewonnen: Lead Generierung. Während diese Entwicklung generell zu begrüßen ist, um den Beitrag von Marketing zum (Umsatz-)Erfolg eines Unternehmens zu verdeutlichen, hat dieser Teilbereich mittlerweile in vielen Unternehmen eine nicht unproblematische Dominanz zu Lasten anderer wichtiger Marketingaufgaben gewonnen.

Dies sehen auch mehr als 110 Teilnehmer einer kürzlich durchgeführten
Internetumfrage so, die den steigenden Fokus auf Lead Generierung für schädlich halten. 64% stimmen der Aussage zu, dass dadurch die strategische Relevanz von Marketing reduziert und Marketing zunehmend als taktische Funktion zur Vertriebsunterstützung wahrgenommen wird.

Was sind mögliche Hintergründe?
Die zunehmende Bedeutung von Lead Generierung hat verschiedene Hintergründe. Einer der wesentlichen ist die Tatsache, dass Marketinginvestitionen im Gegensatz zu den „Goldenen Zeiten“ vor einigen Jahren mittlerweile viel genauer auf dem Prüfstand des ROI bewertet werden. Generell ist diese Entwicklung gesund und richtig. Wer hier als Verantwortlicher keine klare Aussage treffen kann, gerät gegenüber anderen Abteilungen mit Kapitalbedarf schnell ins Hintertreffen. Ein ganzheitliches Verständnis des Funnels, der einzelnen Stufen und Möglichkeiten ihn zu optimieren gehört heute zu den Anforderungen ans Marketing Management. So weit, so gut.

Aus der anfänglich begrüßenswerten Absicht, den ROI darzustellen, ist dann in einigen Fällen jedoch ein ungesunder Hang entstanden, alles unter dem Gesichtspunkt „Was bringt uns das kurzfristig monetär?“ zu bewerten. Dies kann nicht alleiniger Maßstab sein, da Marketing bei allen guten Intentionen niemals komplett messbar sein wird. Die Gefahr liegt darin, dass ein Großteil des Marketingbudgets in kurzfristige Lead Generierung investiert wird und mittel- sowie langfristige Aufgaben wie Branding zur Markenpositionierung oder Thought Leadership zur Vorbereitung neuer Märkte und Zielgruppen leidet.

Die Kunden haben sich weiterentwickelt – und das Marketing?
Es wurde viel über die Weiterentwicklung der Zielgruppen vom „willigen“ Käufer zum „mündigen“ Kunden geschrieben. Ein Vergleich, der mir persönlich gefällt, kommt aus der Tierwelt. Früher wurde der Kunde als Hund angesehen, der treu ist und den man mit einem guten Stück Wurst jederzeit locken kann. Heute können wir Kunden mit Katzen vergleichen, die launisch sind, kommen wann sie wollen und dabei jederzeit unsere Aufmerksamkeit erwarten. Die Frage ist, ob sich auch das Marketing weiterentwickelt hat und wenn ja wie sieht ein neues Marketing aus? Ein einfaches „Abarbeiten“ eigener oder von Medienhäusern zugekaufter Datenbanken mit Mailings und aggressivem Telemarketing ist sicherlich nicht mehr zeitgemäß.
Marketing sollte sich vielmehr rückbesinnen wofür es im kommerziellen Umfeld wirklich verantwortlich war und ist: Über einen klar kommunizierten Kundennutzen dafür zu sorgen, dass immer mehr Kunden ein immer breiteres Spektrum an Produkten in immer häufigeren Abständen kauft. Mit anderen Worten „volle Auftragsbücher“. Voraussetzung hierfür sind zum einen integrierte Konzepte aber auch ein weiterer Mehrwert von Marketing, der meiner Meinung nach bei vielen Unternehmen im Technologie-Sektor unter anderem aufgrund des Fokus auf Lead Generierung in den Hintergrund geraten ist: Das profunde Wissen um Markttrends und Kundenbedürfnisse. Die Bereitstellung allgemeiner Marktforschungsergebnisse und das sporadische Versenden von Reports langt nicht. Die Diskussionen um das Verständnis der „Buyer Journey“ und „Content Management“ gehen in die richtige Richtung sollten jedoch generell auf Basis eines fundamentalen Wissens um Kundenbedürfnisse erfolgen und nicht isoliert auf Kampagnenebene. Dazu zählen auch Programme zur Messung der Kunden- und Partnerzufriedenheit, die grundsätzlich im Marketing aufgehängt sein sollten. Auch die Analyse von „Big Data“ gehört ins Marketing als Informationsquelle. Performance Marketing ist in diesem Zusammenhang nicht zur kurzfristigen Optimierung taktischer Maßnahmen sondern zur Aufbereitung von Kundentrends für strategische Entscheidungen im Rahmen einer gesamtheitlichen Betrachtungsweise zu sehen. Die Notwendigkeit sich stärker mit der Zielgruppe zu beschäftigen steht im übrigens an erster Stelle der Empfehlungen in der
Chief Sales Officer Insights’ 2012 Lead Management Optimization (LMO) Studie. Durch Zusammenfassung und Aufbereitung aller relevanten Kundendaten gefolgt von der Ableitung von Handlungsempfehlungen etabliert sich Marketing als Kompetenzzentrum.

Welche Wege führen zu einer ausgewogeneren Sichtweise und wie könnte diese aussehen?
Wie kann sich der steigende Fokus auf Lead Generierung wieder zugunsten einer ausgewogenen Sichtweise wandeln? Zunächst mal sollte Marketing in den Spiegel schauen und anfangen, bei sich selbst Lösungen für diese ungesunde Entwicklung suchen. Wie sehen Marketing-Ziele und -Organisation aus? Welche Schwerpunkte werden bei Marketing-Präsentationen in Management-Meetings gesetzt? Wie können wir erreichen, dass die oben genannten Themen einschließlich Programmen zur Kunden- und Partnerzufriedenheit wieder im Marketing angesiedelt zu werden? Wie stellen wir eine zielgerichtete Analyse von „Big Data“ dar? Wie soll Marketing gesehen werden und welche Maßnahmen müssen getroffen werden, um diese Sichtweise zu erreichen? Hier ein Vorschlag: Marketing bündelt das Wissen über Kunden und ergreift daraus abgeleitet Initiativen, die das gesamte Unternehmen und sein Geschäftsmodell betreffen und reale Ergebnisse erzielen. Mit dem eigenen Bild wäre der nächste Schritt die Abstimmung mit Management und Vertrieb. Interessanterweise belegt die
Chief Sales Officer Insights’ 2012 Lead Management Optimization (LMO) Studie, dass Marketing selbst Qualität und Quantität der gelieferten Leads schlechter bewertet als das Vertriebsmanagement.
Der seit einigen Jahren herrschende Fokus auf Lead Management hat eine positive Konsequenz: Wir sind mittlerweile in der Lage, auch dem CEO und dem CFO, denen viele der marketinginternen Messgrößen nicht geläufig sind, einen realen Mehrwert von Marketing verständlich zu kommunizieren. Dies sollte weitergeführt werden und die Verfügbarkeit von „Big Data“ weckt Hoffnungen, dass sich auch Investitionen in Branding und Thought Leadership, die frühere Phasen des Funnels betreffen, in kausalen Zusammenhang mit dem ROI stellen lassen. Wer hier nicht investiert läuft auf Dauer Gefahr seine bestehende Datenbank überzustrapazieren und angesichts der immer komplexer werdenden Kaufprozesse wichtige Entscheider außen vor zu lassen.




Zum Autor des Gastbeitrages

Lutz Klaus ist seit mehr als 16 Jahren in der ITK-Branche auf europäischer und nationaler Ebene als Führungskraft und Redner aktiv. Zu seinen Schwerpunkten zählen Internationales Marketing, Channel Management und Vertrieb.