Überall hyperlokal


Credits: © Ruggiero Scardigno – Fotolia.com

Auf den Münchner Medientagen 2012 war die Veränderung der Medienlandschaft in der digitalen Welt wie immer eines der Hauptthemen. In den Verlagshäusern wird umstrukturiert, gespart und abgebaut. Und während dort alte Strukturen aufgebrochen und neue Geschäftsmodelle implementiert werden, so macht sich seit einigen Jahren im Lande eine neue Generation von Medienmachern auf den Weg, den angestammten Zeitungsverlagen die Leser wegzuschnappen bzw. in Ergänzung zu diesen zu treten. Und das machen sie gut: spitz, flink und kreativ.

Die Geschwindigkeit wie sich hyperlokale Angebote im Netz entwickeln ist erstaunlich. Der Hype begann vor ca. drei Jahren und setzt sich weiter fort. Die sublokalen Online-Auftritte im Web bieten redaktionell aufgemachte Berichte aus einem klar abgegrenzten Gebiet, einer Stadt, einer Gemeinde oder nur aus einer Straße. Sie sprechen eine spitze Zielgruppe an, und zwar den Bürger und die Werbetreibenden vor Ort.

Bestückt werden die Online-Auftritte von professionellen Redakteuren, aber auch von Bürgerreportern. Erstaunlich ist, dass viele dieser Angebote nicht von den klassischen Zeitungsverlagen ins Leben gerufen werden, sondern von Entrepreneuren, die ihre eigenen höchst kreativen Wege gehen. So zum Beispiel die „
Prenzlauer Berg Nachrichten“ von Philipp Schwörbel. Der Jungunternehmer startete sein Onlineangebot im Jahr 2010 und erreicht bereits 22.000 Nutzer pro Monat (eigene Angabe). Um weiterhin unabhängig schreiben zu können, hat die Redaktion vor kurzem den „Freundeskreis Prenzlauer Berg Nachrichten“ gegründet. Bei diesem Freundeskreis können die Leser ab einem Beitrag von 1,50 € pro Monat Mitglied werden und somit die redaktionelle Arbeit unterstützen.

Ein weiteres interessantes Angebot das zu den hyperlokalen Angeboten gezählt werden muss, ist die
Jungfrau Zeitung aus Interlaken in der Schweiz, die von Verleger Urs Gossweiler gegründet wurde. Die Jungfrau Zeitung beschreibt sich selbst als „radikal lokal“. Journalisten berichten über das Leben im Mikrokosmos Jungfrau, werfen aber auch einen Blick auf das Geschehen in der Welt. Stets aber aus lokaler Sicht. Ein weiteres Merkmal dieser „Zeitung“, sie ist konsequent multimedial. Sie erscheint Online, zweimal in der Woche auf Zeitungspapier, sie ist als iPad und iPhone-App erhältlich oder auf jedem Smartphone in einer HTML-Version abrufbar und hat einen Twitter und Facebook-Auftritt. Auf allen Online-Kanälen werden die Inhalte rund um die Uhr aktualisiert. Um die Jungfrau Zeitung konsequent multimedial zu halten, muss man sich von allen Zeitungsmachen-Strukturen verabschieden. Was zählt ist eine innovative technische Plattform, um schnell und effektiv alle Kanäle zu bespielen. Laut Urs Gossweiler dauert es keine fünf Sekunden, um eine Anzeige auf allen Kanälen abzubilden.

Im Sommer diesen Jahres setzte dann die Axel Springer Jorunalistenschule mit
Zoom Berlin ein interessantes Anbebot ins Web. Die Jungjournalisten berichten über das Leben in einer Straße, und zwar der Oranienstraße in Kreuzberg. Eine Spielwiese für angehende Journalisten, die das Gespür für die wirklich wahre Dinge in einer Region entwickeln sollen. Unter dem Motto „Die Stadt. Eine Straße. Dein Leben.“ berichten sie über die Menschen, die dort seit langer Zeit oder auch erst kurz leben, beleuchten die geschichtsträchtige Vergangenheit der Straße im Berliner Stadtteil Kreuzberg, setzen sich mit aktuellen Problemen auseinander und laden über Facebook, Twitter und ein eigenes Blog ihre User ein, zusammen mit der Redaktion Visionen für die Zukunft der Straße zu entwickeln.

Um hyperlokal publizieren und Bürgerreporter unkompliziert in das Publizieren von Beiträgen zu versetzen, hat das Unternehmen
Gogol Medien aus Augsburg eine spannende technische Lösung für die Arbeit in der Cloud entwickelt. Diese Lösung richtet sich vor allem an Verlage. Mit der Publishing Lösung werden zum Bespiel die hyperlokalen Angebote von Regional Media Austria wie
www.meinbezirk.at mit mehr als 130000 Leserreportern oder
mz-buergerreporter.de gepflegt. Um eine größtmögliche Abdeckung an lokalen Themen zu bieten, ohne jedoch einen immensen Personalaufwand betreiben zu müssen, müssen die Online-Angebote der Verlage für Leserreporter geöffnet werden. Martin Huber erklärte auf den Medientagen und in einer Pressemitteilung zum Start der MZ Bürgerreporter Plattform: „Leserreporter sind nicht Konkurrenz, sondern vielmehr eine wichtige Ergänzung zu professionellem Journalismus. Die Menschen vor Ort schreiben über das, was sie bewegt. Ihre ganz persönlichen Sichtweisen sind nicht nur spannend zu lesen. In der Gesamtschau ergibt sie auch ein erstaunlich exaktes Bild über die relevanten Themen der jeweiligen Region. Redakteure wiederum haben die Möglichkeit, diese Themen aufzugreifen, sie weiterzuentwickeln und professionelles Storys daraus zu machen.“ Interessant wird es laut Huber also dann, wenn sich der professionelle Journalist mit dem Amateurredakteur zusammentun.

Ob sich die hyperlokalen Angebote landesweit durchsetzen und monetarisieren werden, bleibt abzuwarten. Jedoch scheint es, dass diese Angebote derzeit die einzige sinnvolle Antwort auf immer weniger werdende lokale Beiträge in den Printzeitungen sind. So kann sich die RP Online ebenfalls eine Kooperation mit lokalen Bloggern vorstellen. Zwar will RP Online weiter der Informationshub für die Region sein, die Informationen könnten aber auch von anderer Seite kommen. So sollen laut der Panelisten auf den Medientagen 2012 die Zeitungsmacher “Gestalter des lokalen Marktes sein, aber nicht die Chronisten.” Oder wie Meinolf Ellers, Geschäftsführer dpa infocom, sagte: “Mit dem Mindset des klassischen Zeitungsmachens, macht man keine digitalen Medienprodukte.”